d

LENK COMMUNICATIONS

Let’s Work Together

Bayernstrasse 125,
28 219 Bremen
+49 171 532 66 56

Image Alt

Lenk Communications

Mehr angezeigte Missbrauchsfälle

Wie die Bremische Evangelische Kirche mit sexualisierter Gewalt umgeht

Bremen. Der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) werden seit dem vergangenen Jahr deutlich mehr Fälle sexualisierter Gewalt gemeldet. 18 waren es 2024, in diesem Jahr bislang 16. Zum Vergleich: In den 25 Jahren zuvor waren es insgesamt gerade elf Fälle. „Wir interpretieren dies so, dass es wieder mehr Vertrauen in uns gibt, dass wir diese Fälle konsequent aufklären wollen“, sagt Peter Schultz, Leiter der Kirchenverwaltung. „In aller Härte, ohne Rücksicht auf Position, Ansehen und Herkunft des Verdächtigen.“

Der Auslöser hierfür scheint unschwer auszumachen: Im Mai 2024 hat die BEK die „Fachstelle Sexualisierte Gewalt“ eingerichtet. Zwar gab es eine Stelle, bei der sich von sexualisierter Gewalt betroffene Personen oder Dritte melden können, schon seit 1998. Die Einrichtung der neuen Fachstelle markiere jedoch grundlegende Veränderungen in diesem Themenfeld, erläutert Frank Lenk, der als externer Berater und Experte für Krisenkommunikation für die Landeskirche tätig ist. Die neue Fachstelle wurde als Stabsstelle eingerichtet und dient auch als Ansprechpartner für die Gemeinden. Damit einher gingen verbesserte Strukturen, verbunden mit intensiver Präventions- und transparenter Öffentlichkeitsarbeit.

In der BEK ist jeder Mitarbeiter verpflichtet, einen Verdachtsfall zu melden. Ausnahmslos jedem dieser Fälle wird anschließend nach einem festgelegten Verfahren nachgegangen, sagt Peter Schultz. Den Anfang mache dabei stets eine kurze interne Bewertung im eigens hierfür zusammengerufenen Interventionsteam, unmittelbar danach werde ein rechtlicher Berater von außerhalb der Kirche hinzugezogen. Jeder Fall, bei dem ein begründeter Verdacht auf strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegt, werde sofort bei den zuständigen staatlichen Stellen angezeigt.

Drei Fälle aus dem Kita-Bereich

Zu den aktuellen Fällen, wie 2025 unter anderem drei aus dem Kita-Bereich und einer aus der Diakonie, kämen zunehmend auch Altfälle, deren strafrechtliche Verfolgung nicht mehr möglich ist, weil sie verjährt sind oder weil die beschuldigte Person bereits verstorben ist. Für die Aufarbeitung der Fälle spiele dies aber keine Rolle, betont Peter Schultz. „Die Betroffenen tragen die Thematik ein Leben lang mit sich. Wir wollen auch nach Jahren für sie da sein.“

Aus den Altfällen könne man darüber hinaus wichtige Erkenntnisse zur Vermeidung künftiger Fälle ziehen. Wie waren die Strukturen, die das Fehlverhalten ermöglichten, ja vielleicht förderten? „Es geht uns auch um die, die vielleicht künftig betroffen sein könnten.“ Ohnehin sei das gesamte Projekt auf die Zukunft ausgerichtet. Verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen sei ein Dauerprojekt, da dürfe man sich keinen Illusionen hingeben, sagt Peter Schultz. „Wir wollen und müssen daran arbeiten, dass sich auf lange Sicht etwas ändert.“

Ein wichtiger Schritt im Verfahren sei auch die Frage, wie man kommunikativ mit dem Fall umgehen könne und dürfe. „Wir haben eigentlich ein Interesse daran, die Sache schnell öffentlich zu machen“, betont Schultz. Um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden, geschehe dies aber grundsätzlich in Abstimmung mit den Strafverfolgungsbehörden.

„Es geht um Verantwortungsübernahme“, hebt Nancy Janz hervor, die Leiterin der Fachstelle. Und gerade dass man mit den Fällen so transparent umgehe und sie in die Öffentlichkeit gebe, erziele Wirkung, ist sie sich sicher. „Die Leute hatten viele Jahre Angst. Jetzt ist da das Gefühl: Ihr als Kirche kriegt das vielleicht doch hin.“ Hinzu käme, dass sich die einzelnen Gemeinden zuvor völlig überfordert gefühlt hätten, wenn ihnen ein Verdachtsfall gemeldet wurde. „Da helfen jetzt die neuen Strukturen. Das schafft mehr Sicherheit und Handlungsfähigkeit vor Ort.“

Janz beschreibt die Fachstelle als ein „lernendes System“. Was im Übrigen auch die Beschuldigten umfasse. Auch für sie gebe es eine Ansprechstelle und das Angebot zur beratenden Begleitung. Die Botschaft, dass niemand der involvierten Personen oder Stellen alleine gelassen werde, sei enorm wichtig für ihre Tätigkeit. Dies belegten auch die aktuellen Fälle, insbesondere aus den Kitas. Unter den Eltern sei sexualisierte Gewalt natürlich ein hoch emotionalisiertes Thema. „Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass sich das System durch eine gute und transparente Begleitung beruhigen lässt.“

Was ausdrücklich auch für Fälle gelte, in denen noch nichts Straffälliges passiert sei. Nicht von ungefähr tauchen in der Statistik für 2025 neben den 16 gemeldeten Fällen weitere sieben Meldungen aus dem Grenzbereich zur Kindeswohlgefährdung auf. „Manchmal hilft ein klärendes Gespräch mit dem Hinweis, dass etwas nicht in Ordnung war.“

Ralf Michel